Auf der Einstiegsseite von koelsch-net.de werden Antworten
versprochen. Ist Kölsch nun mehr Marketing oder mehr Tradition und seit wann
gibt es Kölsch den überhaupt?
Ihre persönliche Antwort darauf werden Sie nach Lektüre des nachfolgenden
Textes finden, wobei diese, je nach Blickwinkel, wohl verschieden ausfallen
wird.
Die Kölner Brauer betonen gerne ihre lange Brautradition seit
dem Jahre 873. Dies stimmt auch, Köln war schon immer ein Zentrum des
Brauens. Es gab in Köln schon sehr früh eine Braukultur mit einer
ungewöhnlich hohen Anzahl von Hausbrauereien. Was damals gebraut wurde hatte
aber mit Bier im heutigen Sinne nicht viel zu tun. Es gab weder Hopfen noch
einen planmäßigen Einsatz von Hefe. Brauen war Glücksache, man war
(unbekannter Weise) auf das natürliche Vorkommen von Hefen in der Luft
angewiesen. Immerhin wurde im 15ten Jahrhundert das Gruit-Bier (Kräuterbier)
durch das Keutebier (gehopftes Bier) abgelöst. Ab hier könnte man mit gutem
Willen zu ersten Mal von einem Bier aus heutigem Verständnis sprechen.
Erst im 16. Jahrhundert wurde der Zusammenhang zwischen Hefe
und der alkoholischen Gärung entdeckt. Dennoch war es immer noch Glück
zweimal hintereinander ein ähnlich schmeckendes Bier zu erzeugen. Außer
tiefen Kellern gab es noch keine Kühlung und die verwendeten Rohstoffe waren
noch sehr abenteuerlich. Es wurde rein obergärig gebraut, im Jahr 1603 wurde
das untergärige Brauen von Bier sogar vom Rat der Stadt und vom Brauamt
verboten.
Langsam kristallisierte sich ein helles trübes obergäriges Bier
heraus, welches Weiß oder Wieß genannt wurde. Dies war der Vorläufer des
Kölsch. In der einschlägigen Literatur wird angemerkt, dass schon im 14ten
Jahrhundert der Begriff „Kölsch“ für Kölner Bier verwendet wurde. Ob das so
stimmt ist aber fraglich. In einer Aufzählung aus dem frühen 18. Jahrhundert
werden 6 Kölner Biersorten aufgezählt, vom "Kölsch" ist aber nicht die Rede.
Bis Ende des neunzehnten Jahrhunderts gab es in Köln ausschließlich
kleine Hausbrauereien. Im Jahr 1870 wurde der Höhepunkt mit der Anzahl von
135 Hausbrauereien erreicht.
Untergärige Biere gab es kaum, da die notwendige Kühlung schwer zu
realisieren
war. Selbst mit der Obergärung hatte man massive Probleme. Die obergärigen
Brauereien mussten ihre Keller sehr tief graben um ihr Bier im Sommer kühl
zu halten. Gebraut werden konnte im Sommer gar nicht. Oft wurde das Bier im
Sommer auf Grund der notwendigen langen Lagerung säuerlich. War es noch
erfrischend säuerlich wurde es als „Stecken-Alt“ verkauft, oft musste es
aber auch weggeschüttet werden.
Mit der Erfindung der Eismaschine durch Carl Linde um das Jahr
1879 trat die große Wende in der Kölner Brauereistruktur ein. Es entstanden
die ersten Aktien-Brauereien die Bier im industriellen Maßstab brauten und
die kleinen Hausbrauereien schnell verdrängten. Diese hatten aber kein
Interesse an obergärigen Biersorten, sondern produzierten die immer populärer
werdenden untergärigen Sorten
wie Export und Pils. Durch die industrielle
Produktion und die damit verbundene technische Überlegenheit gegenüber den
Hausbrauereien, waren die Großbrauereien in der Lage, wesentlich
kostengünstiger zu produzieren. Auch die Qualität des in den Großbrauereien
gebrauten Bieres war hoch und insbesondere reproduzierbar. Die Qualität des
Bieres der Hausbrauereien war von Tag zu Tag sehr verschieden. Die Folge
war, dass die Anzahl der Hausbrauerein massiv sank. Im Jahr 1900 gab es nur
noch 46 Hausbrauereien, im Jahr 1925 gar nur noch 24.
Diese Fakten blendet der Kölner an sich gerne aus, denn die
Kölner selbst wandten sich ja von den Hausbrauereien (und damit auch vom
obergärigen Bier) ab. Entschuldigend muss
gesagt werden, dass die untergärigen Biere in dieser Zeit im allgemeinen
Trend lagen und industriell einfach in einer besseren Qualität und auch
billiger hergestellt werden konnten.
Abgebildet ist eine
Anzeige aus dem Kölner Lokal-Anzeiger vom 13. Mai 1928. Kölner Bier sollen die
Kölner trinken, aber vom Kölsch ist nicht die Rede. Nicht verwunderlich, da
sich die Brauereien ja als Kölner Export-Bierbrauereien bezeichnen.
Abgebildet ist der Artikel "Wie wird unser "Kölsch" gebraut?" aus dem Jahr 1936
sowie der Artikel "Köln trinkt 40 Millionen Glas Kölsch" mit Fotos aus dem
Brauhaus "Rude Bräues" aus dem Jahr 1934 (klicken zum Vergrößern).
Legt man die heutige Definition des
Kölsch zu Grunde, so könnte man die Geburtsstunde des Kölsch auf den Anfang
des zwanzigsten Jahrhunderts legen. In dieser Zeit wurden die
Hochleistungsfilter erfunden. Aus dem trüben Weiß wurde das blanke (klare)
Kölsch filtriert.
Dennoch muss bedacht werden, dass das Kölsch von damals kaum
mit dem heutigen Kölsch vergleichbar ist. Selbst der langjährige Vorsitzende
des Kölner Brauereiverbandes, Hans Sion, sagte einmal, dass man es “keinem
Esel ins Ohren schütten“ würde.
In der nachfolgenden Tabelle sind die Eigenschaften des „alten Kölsch“ dem
des aktuellen Kölsch gegenüber gestellt:
Eigenschaft
Alter Kölschtyp
Neuer Kölschtyp
Farbe
dunkel wie Altbier
hell
Schaum
grobperlig, kaum haltbar
feinperlig, lang haltbar
Vergärungsgrad
niedrig
hoch (vollvergoren)
Haltbarkeit
kurz
Dies bedingt durch den niedrigen Vergärungsgrad. Um die Haltbarkeit zu
erhöhen wurde oft mit Hopfen gestopft, d.h. nach dem eigentlichen
Brauprozess wurde Hopfen als Konservierungsmittel zugesetzt. Dies machte das
Bier natürlich noch bitterer
lang
Hopfungsgrad
sehr stark gehopft
mittel bis stark gehopft
Kohlensäuregehalt
gering
mittel bis hoch
Alkoholgehalt
ca. 3,5 %, teilweise mehr
4,8 – 5,0 %
Um es auf den Punkt zu bringen, geblieben ist eigentlich nur
der Name Kölsch.
Immerhin lässt sich durch Flaschenetiketten und Reklame
zahlreich belegen, dass ab ca. 1900 mit der Sortenbezeichnung Kölsch
geworben wurde. Die ältesten Nachweise stammen allerdings nicht aus Köln,
sondern aus der Umgebung. Nachfolgend abgebildet ist der mir bekannte
älteste Nachweis abgebildet. Am 5. Juni 1901 wirbt die Bonner Restauration "Kaiser
Friedrich" mit "Obergäriges Kölsch von Robert Joosten, Köln".
Funfact: in der Anzeige wird auch mit Ladestationen für E-Autos bzw.
Accumulatorwagen geworben, deren Anteil damals höher war als heute.
Übrigens behauptete das Brauhaus zur Garde, dass in ihrer
Vorgängerbrauerei (der Brauerei Becker & Cie von der Familie Becker, welche
heute die Gaffel-Brauerei betreibt) im Jahr 1892 das erste Kölsch gebraut
wurde. Dies würde bedeuten, dass das erste Kölsch aus Dormagen kam, stimmt
aber nicht.
Entgegen der landläufigen Meinung und gern gepflegtem Image,
interessierten sich die Kölner , nachdem es den Begriff "Kölsch" gab, nur
wenig für ihr Kölsch. Der Anteil von im Bezirk Köln gebrauten obergärigen
Bier stürzte nach dem ersten Weltkrieg gegenüber untergärigem Bier geradezu
ab. Vermutlich war der Anteil von obergärigem Bier während des ersten
Weltkriegs durch die Kontingentierung des Malzes kurzfristig gestiegen, weil
hiervon die meist industriell betriebenen untergärig produzierenden
Brauereien stärker betroffen waren. Der Tiefpunkt war im Jahr 1926 erreicht, der Anteil von obergärigem Bier
am in Köln gebrauten Bier betrug nur noch 4,4%. Bezieht man in die Rechung
nur Vollbier ein, zu dem Kölsch ja gehört, lag der Anteil sogar nur bei
2,5%. Und hierbei geht es nur um die Produktion. Wenn man den Konsum
betrachtet sinkt der Anteil weiter massiv. Die Kölner tranken ja mit
Vorliebe Dortmunder und Bayrisches Bier. Bis 1939 stieg der Anteil
untergärigem Bier wieder über 10%. Die nachfolgende Grafik zeigt die
Entwicklung zwischen 1920 und 1939.
Die Zahlen sind dem "Deutschen Reichsanzeiger und
Preußischem Staatanzeiger" [4] entnommen. Für das Jahr 1923 ist nur die
Menge des insgesamt gebrauten Bieres bekannt. Im Jahr 1922 wurde kaum
Vollbier auf Grund der Malzkontingentierung durch die britischen
Besatzer produziert. Die Daten der Jahre 1921, 1924, 1927, 1928 sind
unvollständig und auf Basis der verfügbaren Quartalsdaten hochgerechnet.
Die Hochrechnung des Jahres 1939 basiert auf nur einem Quartal.
Das es heute überhaupt noch Kölsch gibt, ist der Kölner
Brauerlegende Hans Sion zu verdanken. Dieser erkannte kurz nach dem zweiten
Weltkrieg, dass mit der alten Kölschsorte kein Staat mehr zu machen war.
Diese war geschmacklich einfach nicht mehr auf Höhe der Zeit und ließ sich
wegen ihrer kurzen Haltbarkeit auch nicht in Flaschen abfüllen wie es immer
mehr in Mode kam. Hans Sion erkannte aber auch, dass es keinen Sinn gehabt
hätte der Brauerei-Konkurrenz aus Dortmund und Bayern auf deren Gebiet, also
mit Pils, Lager und Exportbier, Paroli zu bieten. Dazu waren die Kölner
Brauereien nicht leistungsfähig genug und untergäriges Bier aus Bayern oder
Dortmund war einfach, auch bei der Kölner Bevölkerung, populärer als die
einheimischen Brauerzeugnisse.
Etwas Besonderes musste her, etwas was an die Kölner
Brautradition anknüpft und von der auswärtigen Konkurrenz nicht geliefert
werden konnte. Und damit war das „neue“ Kölsch geboren. Es kostete aber viel
Überzeugungsarbeit bis die einheimischen Brauer das Konzept übernahmen.
Insbesondere Brauereien wie Sester, die eine große Palette an untergärigen
Sorten im Angebot hatten, waren sehr skeptisch und sprangen erst spät auf
den Zug auf.
Einen nicht unerheblichen Beitrag zum Erfolg des „neuen“ Kölsch
leistete die oft zu unrecht verschmähte Marke Küppers. Man erkannte den
Trend und setzte auf Flaschenbier in großem Maßstab. Der Erfolg war
unglaublich. Mitte der 60er Jahre produzierte die erst seit wenigen Jahren
in Köln präsente Küppers Brauerei alleine mehr als 1Mio. hl Kölsch (damals
mehr als ein Drittel der Gesamtproduktion). Durch den Erfolg des
Flaschenbiers wurde Kölsch auch in der Gastronomie nachgefragt. Es dauerte
aber eine gewisse Zeit, bis sich Kölsch auch dort durchsetzte, nicht zuletzt
aus dem Grund, dass sich ein Großteil der Kölner Gastronomie mit
Ausschließlichkeits-Verträgen an auswärtige Pilsbrauereien gebunden hatte.
Andere Brauereien folgten daraufhin dem
Kölsch-Trend und sortierten mehr und mehr die untergärigen Biere aus. Betrug
der Anteil des Kölsch kurz nach dem Krieg nur ca. 10% betrug er 1970 bereits
78% und 1983 gar 92%. Nirgendwo ist mehr die Rede von „Reissdorf Pils“ oder
„Gilden Alt“.
Mit der Anerkennung der Bezeichnung „Kölsch“ als geografisch
geschützte Bezeichnung im Jahre 1997 haben es die Kölner Brauer endgültig
geschafft ihre Existenz zu sichern. Kölsch ist eine lokale Bierspezialität,
die nur in Köln gebraut werden darf. Anderswo gebrautes Bier gleicher
Brauart darf also gleich schmecken, aber nicht gleich heißen. Und
Abwechslung gibt es auch beim Kölsch genug, denn die einzelnen Marken sind
sehr unterschiedlich im Geschmack (trinken Sie mal ein Gaffel und ein
Reissdorf hintereinander).
Auftritt der Kölner Brauereien auf der Anuga
in den siebziger Jahren
alle 23 Marken der Mitglieder des Kölner
Brauerei-Verbandes aus dem Jahre 1987
Aus einem anderen Blickwinkel und vielleicht "konformer" beschreibt der
folgende Artikel von Timur Dosdogru aus dem Jahr 1996 die Entwicklung
der Brautradition in Köln.
Von der Sorte zur Marke — Einigkeit macht Kölsch?
Rückblick und Zukunftsaussichten
Die
Brautradition der Stadt Köln ist bereits für das Jahr 873 nachgewiesen und
stellt damit eine der ältesten urbanen Brautraditionen überhaupt dar. Die
Standesvertretung der Kölner Brauer, das Kölner Brauamt, gab es schon im Jahr
1250. Die Kölner Brauer-Kooperation entstand 1396, die auch den
"Verbundbrief" unterschrieb, mit dem sich Köln als erste deutsche
Stadt eine demokratische Verfassung zulegte. Dabei befreiten neben den Brauern
auch die anderen Handwerksvereinigungen der sogenannten Gaffeln die Stadt Köln
von der herrschenden Obrigkeit in einer friedlichen Revolution. Über 600 Jahre
ist das jetzt her und wurde als Stadtjubiläum „600 Jahre Verbundbrief" im
Sommer 1996 in Köln groß gefeiert. Der Grundstein für diese Revolution wurde
bereits 1164 gelegt, als der Erzbischof Rainald von Dassel, seines Zeichens
Kanzler des Kaisers Barbarossa, die Gebeine der "Heiligen Drei
Könige" von Mailand nach Köln schickte. Durch diese bedeutende Handlung
avancierte Köln nämlich zum ersten Wallfahrtsort nach der Ewigen Stadt Rom in
jener Zeit, was zahllose Pilger, Kaiser wie Kaufleute in großen Scharen in die
künftige Domstadt lockte. Wegen der wachsenden Bedeutung der Stadt nahmen die
Kölner die Kronen der "Heiligen Drei Könige" zu den elf Flammen ihres
Stadtwappens auf, womit sie ein Zeichen für die wachsende wirtschaftliche und
kulturelle Rangfolge Kölns setzten. Mit der dritten Stadterweiterung wurden die
Grenzen der Domstadt neu gesetzt, außerdem wurde die Stadt durch den Bau des
bekannten Mauer- und Festungswerkes von allen Seiten umfassend geschützt. Die
Heiligsprechung der Stadt erfolgte durch die Errichtung mehrerer romanischer
Kirchen und natürlich des Domes. Die Macht der Kirche führte zu blutigen Freiheitskämpfen,
die erst im 13. Jahrhundert beendet wurden, die Erzbischöfe verlegten ihren
Sitz schließlich nach Bonn. Bei diesen Auseinandersetzungen blieb es aber nicht
für die geplagten Kölner, bis Mitte des 14. Jahrhunderts regierten dann die
Patrizier die Stadt, was immer wieder Anlass zur Unruhe gab. Um ein politisches
Gegengewicht zu bilden, gründeten die mittelständischen Kaufleute Kölns
zusammen mit den Gemeinschaften der Handwerker, politische Vereinigungen - die
sogenannten Gaffeln. Mit ihrer Hilfe konnte der Nährboden in allabendlichen
Tischgesellschaften bei Speis und Trank für den allgemeinen Unmut geschaffen
werden, der die Herrschaft der Patrizier beiseitefegen sollte.
Tischgesellschaften bildeten Nährboden für sozialen Unmut. Der Begriff "Gaffel"
geht auf diese Zeit der Tischgesellschaften zurück, weil bei diesen
Gelegenheiten eine gleichnamige zweizinkige Gabel bei Tisch verwendet wurde,
die Kölner Kaufleute schon im 11. Jahrhundert aus Venedig eingeführt hatten.
Zurück zum Bier: Der erste schriftlich erwähnte Kölner Brauer ist angeblich ein
gewisser Henricus Medebruwer im Jahre 1285. Die Zunft der Kölner Brauer mit der
dazugehörenden St.-Peter von Mailand-Bruderschaft, die das Jahr 1336 der
Unterzeichnung des Verbundbriefes auch als das eigene Gründungsjahr ansieht,
ist auch mit einem eigenen Siegel auf dieser Urkunde vertreten. Die St.-Peter
von Mailand-Bruderschaft, die wahrscheinlich schon bedeutend früher entstanden
ist, gibt es übrigens noch heute. Ihre Mitglieder feiern immer noch jährlich
das Patronatsfest am 29. April mit einem Gottesdienst und einem gemeinsamen
Essen, wobei natürlich auch Kölschbier nicht fehlen darf - und das seit 600
Jahren. Der Bruderschaft wird auch das Zitat "Einigkeit macht Kölsch"
zugeschrieben. Bier schmeckte damals noch ganz anders. Das Bier welches damals
gebraut wurde, hatte noch nicht viel mit dem gemeinsam, was heute getrunken
wird. Gewürzt wurde statt mit Hopfen mit einer Kräutermischung und statt Hefe
zuzuführen, verließ man sich auf die natürliche Luftgärung. Anfang des 15.
Jahrhunderts fand der Hopfen dann seinen Weg ins kölsche Braugewerbe. Dann war
es aber für längere Zeit mit den technischen Neuerungen erst einmal vorbei, bis
in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es in den mittelalterlichen Mauern
der Domstadt rund 100 Hausbrauereien, die mehrere, meist obergärige Biersorten
brauten. Je nach Witterung und Jahreszeit gab es beispielsweise im Frühjahr
"Märzer", im Sommer "Stecken-Alt" wie auch das untergärige
"Kölsche Knupp". 1798 marschierten Revolutionstruppen in die Stadt
ein und brachten neben Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit unter anderem
eine besonders wichtige Neuerung in die Domstadt: die Gewerbefreiheit, die mit
einer Aufhebung des Zunftwesens einherging. Stürmisch für den Handel wurden die
Zeiten dann Anfang des 19. Jahrhunderts, die industrielle Revolution schwelte
schon vor sich hin, außerdem deuteten Erfindungen und Entdeckungen Umwälzungen
auch für das Braugewerbe an.
Die
Industrielle Revolution und der allgemein einsetzende Gründungsboom riss auch
die Brauer mit, bahnbrechend wirkten sich die Erfindung der Dampfmaschine und
der ersten Kühlmaschine (1873) aus. Durch den stetigen Zuzug von Arbeitskräften
infolge schnell wachsender Fabriken ließ sich auch trefflich immer mehr Bier
absetzen, was dazu führte, dass die Industrialisierung der Brauereien schon
bald zu einem Sterben der traditionellen Hausbrauereien führte. Zu dieser Zeit
waren untergärige Biere wie Pilsner, Münchner Helles, Export und Lagerbier in
Mode. Außerdem wurde schon damals die flächendeckende Einführung maschinell
gefertigter Bierflaschen vorangetrieben und ein Pfandsystem eingeführt. Aus
Angst vor Kopien und Panschereien wurde es dann auch üblich, den Firmennamen
ins Glas prägen zu lassen. Das Nachsehen hatten die Hausbrauereien, die
ausschließlich vom Fassbierverkauf lebten, weil die Bierflasche absolut
angesagt war. Die kleinen Hausbrauereien brauten zu dieser Zeit noch den
Vorläufer des heutigen Kölsch, das trübe und ungefilterte "Wieß". Und
obwohl die neuen Großbrauereien untergärige Biere wie Pils und Export
forcierten (um die Jahrhundertwende gab es in Köln 15 Großbetriebe und nur noch
knapp 60 Hausbrauereien) ließ sich die obergärige Sorte Kölsch, die
mittlerweile auch ihre Trübung verlor, nicht verdrängen: die Kölner tranken
trotz allem auch noch ihr Kölsch.
Ein Ende
machte dem erst mal der 2. Weltkrieg, 1946 gab es nur noch ganze zwei
Brauereien offiziell in Köln: Dom und Sünner. Danach ging es aber erst richtig
los, die Zahl der Kölschbrauer schnellte schon bald wieder auf 24 hoch. 1960
wurden in der Rheinmetropole rund 500.000 Hektoliter Kölsch gebraut, heute sind
es etwa drei Millionen Hektoliter, die sich auf folgende Marken verteilen:
Agrippa-, Bartmanns-, Bürger-, Dom-, Früh-, Gaffel-, Ganser-, Garde-,
Germania-, Giesler-, Gilden-, Hellers-, Küppers-, Kurfürsten-, Kurfürsten
Maximilian-, Mühlen-, Lecker!-, Päffgen-, Peters-, Rats-, Reissdorf-,
Richmodis-, Römer-, Schreckenskammer-, Sester-, Severins-, Sion-, Stecken-,
Sünner- und Zunft-Kölsch. Die Brauereien unterzeichneten am 6. März 1986 eine
freiwillige Übereinkunft, die „Kölsch-Konvention". Danach darf diese
Bierspezialität (streng nach dem deutschen Reinheitsgebot von 1516 gebraut) nur
in Köln und der näheren Umgebung hergestellt werden. Dabei handelt es sich um
ein obergäriges helles, hochvergorenes, hopfenbetontes, blankes (klares)
Vollbier, für das die sogenannte Stange (das typisch hohe, zylindrische
Bierglas, welches böse Zungen oft als "Reagenzglas" bezeichnen) das
einzig gebräuchliche Kölschglas sein soll. Über die Einhaltung der Konvention
wacht ein Ausschuss, in Streitfragen entscheidet ein Schiedsgericht. Die
Weichen für diese Übereinkunft, die 1985 im Bundesanzeiger veröffentlicht und
anderen Verbänden zur Prüfung vorgelegt und einwandslos angenommen wurde, waren
bereits 1963 gestellt worden, als das Landgericht Köln bereits feststellte,
dass Kölsch nicht nur den Biertyp, sondern auch das Herkunftsgebiet ausweise.
Am 29. Januar 1996 wurde die Kölsch-Konvention vom Bundeskartellamt anerkannt.
Wie hopfenbitterernst die Kölsch-Konvention genommen wird, musste bis Anfang
diesen Jahres die Gaffel Brauerei erfahren, die als Kölsch-Marktführer in der
Gastronomie gilt. Sie hatte es "gewagt", ein etwas verändertes
Kölschglas, welches unten schmal ist und oben leicht auseinander geht (ein Hauch
von Tulpenform), insbesondere für die Gastronomie, anzubieten. Es half alles
nichts, nach erbitterten Protesten musste das Glas wieder vom Markt genommen,
die Konvention eingehalten werden.