Unternehmensgeschichte des Gürzenich-Bräu, Heinrich Hilgers

 
Der Ursprung des „Gürzenich Bräu“ geht auf ein Brauhaus an der kleinen Sandkaul 3 zurück, welches im Jahre 1865 von Werner Comp gegründet wurde. Wie in Köln üblich wechselten die Besitzer alle paar Jahre, bis 1893 die Brauerei von Peter Josef Baum übernommen wurde.
Peter Baum hinterließ nicht nur an dieser Stelle seine Spuren. Er trat unter anderem von 1894 bis 1901 als Pächter der „Schreckenskammer“ in Erscheinung und betrieb ab 1913 den „Kölsch Boor“ am Eigelstein.
Im Jahr 1909 übernahm Heinrich Hilgers die Brauerei als Pächter und benannte die Brauerei in „Gürzenich-Bräu“ um (bis dahin hatte die Brauerei jeweils nur den Namen ihres Besitzers getragen).
Als die Brauerei 1910 einem neuen Straßenzug am Gürzenich Platz machen musste und abgerissen wurde, erwarb Heinrich Hilgers ebenfalls 1910 in unmittelbarer Nähe zwei neue Häuser an der kleinen Sandkaul 4-6 und richtete dort eine neue Brauerei gleichen Namens ein („Gürzenich-Bräu Heinrich Hilgers“).
In einem Bericht aus dem Jahr 1921 wird das Gürzenich-Bräu wie folgt dargestellt [8]:
Gürzenichbräu Heinrich Hilgers gegenüber dem Stadthaus und Gürzenich. Brauereibesitzer Hilgers übernahm 1909 die altbekannte Brauerei Baum (Große Sandkaul 3) pachtweise; 1910 kaufte er Kleine Sandkaul 4-6 zwei Häuser und erbaute dort das jetzige Gürzenichbräu, weil die Baumsche Brauerei dem neuen Straßenzug am Gürzenich Platz machen mußte. Hilgers, als tüchtiger Braufachmann bekannt, erzielte in seinem neuen Unternehmen sehr großen Zuspruch der Kölner Biertrinker, wodurch er die alte schöne Tradition der dort vom Hembsmäuche her bekannten Bierinsel hochhielt. Auch heute, wo das alte gute Glas "Kölsch" wieder gebraut werden darf, erfreut sich das Gürzenichbräu wieder sehr lebhaften Besuches aller Kreise der Bevölkerung. Das 12%ige Bier für 1,20 Mark das Glas ist von hervorragender Güte und lässt an Qualität, Bekömmlichkeit und Nährkraft dem echten Pilsener nichts nach.
In den 1920er bis 1940er Jahren war das „Gürzenich Bräu“ mit einem jährlichen Bierausstoß von 6.000 - 7.000 hl eines der führenden obergärigen Brauhäuser in Köln. Sein „Echt Kölsch“ war in Köln sehr bekannt. Weiter wurden folgende Filialausschänke betrieben: Hilgers Gürzenieh-Bräu am Ring; Köln, Hohenzollernring 44; „Zur Zweispann“ Franz Brackhane, Köln, Breitestr. 17; Rheinpark- Gaststätten G. m. b. H., Köln, Messegelände; Hotel zur Post Emil Hoffmann, Opladen.
Mit der Zerstörung des Brauhauses im zweiten Weltkrieg kam das Ende des Gürzenich-Bräus. Die Gebäude wurden nach dem Krieg zwar wiederaufgebaut, aber anderweitig genutzt.

Firmierungen:
Zeitraum Firmierung Anmerkung
1865 – 1869 Brauerei Werner Comp  
1869 – 1870 Brauerei Koch  
1870 – 1874 Brauerei Alb. Schmetz  
1874 – 1892 Brauerei Carl Loske  
1892 – 1893 Brauerei Franz Pasch  
1893 – 1909 Brauerei Pet. Jos. Baum  
1909 – 1918 Gürzenich Bräu Heinrich Hilgers  
1918 – 1918 Vereinigte obergärige Hausbrauereien mbh  
1918 – 1932 Gürzenich Bräu Heinrich Hilgers  
1932 – 1938 Hilgers Gürzenich Bräu am Ring Es gab eine Filiale namens "Hilgers Gürzenich-Bräu am Ring" am Hohenzollernring 44. Vermutlich war dies die Restauration mit dem größten Absatz. Die Brauerei selbst befand sich immer noch in der kleinen Sandkaul 4-6.
1938 – 1943 Gürzenich Bräu GmbH  
 

Übernommene / Vorgänger- / Nachfolger - Brauereien:
In der nachfolgenden Tabelle sind alle Brauereien aufgeführt, welche Übernommen wurden, Vorgänger- oder Nachfolge-Brauereien waren. Für manche dieser Brauereien gibt es auf dieser Website eine eigene Brauereihistorie, welche über den angegebenen Link aufgerufen werden kann.
Brauerei von - bis / übernommen von / Anmerkungen Brauereihistorie
Em Kölsch Boor Peter Baum führte den "Kölsche Boor" von 1913 bis 1958
Zur Schreckenskammer Peter Baum war von 1894 bis 1901 Pächter der Brauerei "Zur Schreckenskammer"

Historische Bilder
(W010) [7]
Werbung des Gürzenich-Bräu aus dem Jahr 1913
 
(W005) [7]
Werbung des Gürzenich-Bräu aus dem Jahr 1913
 
(W005) [7]
Werbung des Gürzenich-Bräu aus dem Jahr 1914
(W002) [8]
Werbung des Gürzenich-Bräu aus dem Jahr 1921
(W003) [9]
Alte Anzeige aus dem Jahr 1926. Mit der typischen
(kaum zu ertragenden) salbungsvollen Prosa
 
(PK001-Baum) [11]
Postkarte der "Bierbrauerei u. Restauration Jos. Baum".
Gelaufen 1901, also noch in der großen Sandkaul 3 und noch
nicht als Gürzenich-Bräu
 
(PK002)
Alte Postkarte, gelaufen 1915
Gürzenich Bräu
Brauhaus für obergäriges Bier für den eigenen Hausbedarf
Besitzer: Heinr. Hilger, Köln a. Rh.
Kl. Sandkaul 4-6. Telefon A. 1020.

 
(PZ001)
Praktikantenzeugnis aus dem Jahr 1929
(unbekannte Sammlung)
(F001)
Seitliches Foto der Brauerei mit Dom im Hintergrund, Alter unklar
(unbekannte Sammlung)
(F006) [5]
Gemälde der Brauerei aus ähnlicher Perspektive wie das
Foto F001 links. Irritierend sind die Kanonen im Hintergrund. Alter unklar
 
(PK001)
Alte Postkarte, gelaufen am 25.08.1912
Gürzenich Bäu
Brauhaus für obergäriges Bier für den eigenen Hausbedarf
Besitzer: Heinr. Hilger, Köln a. Rh.
Kl. Sandkaul 4-6. Telefon A. 1020.
 
(F002)
Belegschaft / Köbesse der Brauerei, Alter unklar
(unbekannte Sammlung)
(PK003)
Alte Postkarte, gelaufen am 25.08.1912
Gürzenich Bäu
Brauhaus für obergäriges Bier für den eigenen Hausbedarf
Besitzer: Heinr. Hilger, Köln a. Rh.
Kl. Sandkaul 4-6. Telefon A. 1020.
(unbekannte Sammlung)
(PK004)
Postkarte mit Innenansicht von "Hilgers Gürzenich-Bräu am Ring". Gelaufen 1934
(Sammlung Hildner)
(PK005)
Postkarte mit Innenansicht des Gürzenich-Bräu, gelaufen 1941
(unbekannte Sammlung)
(W007) [13, 02.06.1914]
Werbung aus dem Jahr 1914
 
(WL005) [15, 12.04.1927]
Werbung zur Eröffnung des Bierhauses "St. Andreas" im Jahr 1927. Im Ausschank: Echt Kölsch aus dem Gürzenich Bräu
 
              (WL006) [#, 25.08.1927]
Weitere Werbung de Alt-Kölner Brauhaus "St. Andreas" aus dem Jahr 1927. Jetzt wird sogar mit "Filialausschank" des Gürzenichbräu geworben
 
(WR003) [13, 11.08.1928]
Hilgers Kölsch im Angebot des Restaurant Riesenbrauhaus. Anzeige aus dem Jahr 1928
(W006) [10]
Wettbewerb für die besten Werbe-Verse für "Echt-Kölsch" aus dem Jahr 1935. 10 Kölner Hausbrauereien spendieren den besten 10 "Dichtern" je 50 Glas Kölsch. Stellvertretend hier aufgeführt, weil Heinrich Hilgers für die Organisation zuständig war.
 
(101) [17.09.1920]
Anzeige des "Vereins obergäriger Hausbrauereien" aus dem Jahr 1920. Dank Auslandsmalz ist wieder Vollbier verfügbar. Der Verein gleicht einem Kartell, alle 25 Brauereien haben die gleichen Preise
 
(100) [12, 29.03.1936]
Anzeige der Werbe-Gemeinschaft Kölner Haus-Brauereien aus dem Jahr 1936
(105) [12, 01.05.1937]
Anzeige von Kölner Haus-Brauereien aus dem Jahr 1937
(106) [11, 31.12.1939)
Gemeinsame Glückwünsche der Kölner Hausbrauereien zum neuen Jahr 1940
 
(W009) [12, 30.04.1940]
Werbung des Gürzenich-Bräu aus dem Jahr 1940
                                                                                                            
 

Anmerkungen
» Heinrich Hilgers beging zwischen 1926 und 1936 organisierten Steuerbetrug. In Gemeinschaft mit seinem Sohn, seinem Geschäftsführer und seinem Braumeister wurden die Braumengen manipuliert, d.h. systematisch mehr gebraut als bei der Steuer angegeben und die nicht angegebenen Mengen in eigenen Lokalitäten ausgeschenkt. In einem Zeitungsartikel wurde besonders herausgestellt, dass Heinrich Hilgers in der Öffentlichkeit immer angeberisch und überheblich aufgetreten ist (... "um wieviel ruchloser aber handelt ein Mann, der selber buchstäblich im Geld schwimmt, wenn er lediglich aus Habgier und Gewinnsucht jahrelang Staat und Gemeinde um die ihnen zustehenden Steuergelder betrügt" ... ..."und er trotzdem den Staat betrog, war er seinerzeit der erste Rufer im Streite als ein kleiner Kölner Hausbrauer das Glas Kölsch auf einen volkstümlichen Preis herabsetzte. Hilgers war es auch, der seinerzeit bei einer Festlichkeit im Gürzenich in aller Öffentlichkeit mit einem größeren Geldschein seine Zigarre in Brand setzte" ...). Hilgers bekam seine Quittung, er musste eine hohe Geldstraße zahlen und zusätzlich für 10 Monate ins Gefängnis. Merkwürdigerweise (oder auch nicht) wird diese Geschichte in aktuellen Büchern über die Kölner Braugeschichte nicht erwähnt, dort wird Hilgers immer etwas verklärt dargestellt.
» Der „Gürzenich“ war und ist das repräsentative Festhaus des Kölner Rates, in dem noch heute große städtische Veranstaltungen, Empfänge und Feste abgehalten werden. Er wurde 1441 – 1447 erbaut und ist neben dem Rathaus der bedeutendste profane Bau Kölns im gotischen Stil.
» Heinrich Hilgers betrieb von 1873 bis 1877 bereits die „Brauerei Heinrich Hilgers“ in der Salzgasse 7
» Peter Jos. Baum, der die Brauerei von 1893 bis 1909 führte, taucht auch im Kontext des "Kölschen Boor" und der "Schreckenskammer" auf.
» Peter Baum war um 1920 Präsident der Peter von Mailand Bruderschaft, der im Jahr 1396 gegründeten und noch heute existierenden Handwerkergemeinschaft bzw. „Cölner Brauer-Corporation“
» Außer Bierdeckeln, einem Typ Kölschstange und Postkarten sind keine weiteren klassischen Brauereiwerbemittel wie Krüge oder Flaschen bekannt
 

Historische Brauereiwerbemittel der Brauerei
Gläser
     
(001)
Emailliert, 0,25 l geeicht
(Sammlung Mühlens) 
                                                                                                                                            

Bierdeckel
(004)
(unbekannte Sammlung) 
(001)
(unbekannte Sammlung) 
(003)
(unbekannte Sammlung) 
(002)
(1935)
(unbekannte Sammlung)

Informationen aus Brauereiverzeichnissen
1898 Baum, Jos., gr. Sandkaul 3
1910 Hilgers, Heinrich, vorm. P.J. Baum, gr. Sandkaul 3
Anm.: nur obergärige Biere
1934 Heinrich Hilgers Gürzenich-Bräu, Köln, KI. Sandkaul 4—6.
Gegründet: 1909. Fernruf: 221 080. Drahtanschrift: Gürzenich-Bräu Köln. Bankverbindung: Deutsche Bank u. Disconto-Gesellschaft, Köln.
Inhaber: Heinrich Hilgers. Braumeister: Fritz Weigel. Filialen: Hilgers Gürzenich-Bräu am Ring, Köln, Hohenzollernring 44; Alt-Kölner Bierhaus St. Andreas, Köln, Komödienstr. 12; Restaurant „Zur Zweipann" Franz Brackhane, Köln, Breitestr. 17. Betrieb: Sudhausanlage mit 15 Ztr. Schüttung, Kühlmaschinen (800(X) Kal.), Neubecker Faßwaschmaschine, Enzinger-Union Pichapparat; 1 Schnelliefer-Lastwagen. Produktion: Obergäriges Vollbier (echt Kölsch). Grundbesitz: 400 qm. Angestellte u. Arbeiter: 10.
1939 Heinrich Hilgers, Gürzenich-Bräu, Köln, KI. Sandkaul 4-6
Bahnstation für Güter: Köln-Gereon. Fernruf: 22 94,40. Drahtanschrift: Gürzenich-Bräu.
Gründung: 1909. Produktion: Obergäriges Vollbier (Echt Kölsch). Geschäftsjahr: Kalenderjahr. Inhaber: Heinrich Hilgers sen. Braunmeister : Ferdinand Hilgers. Bankverbindung: Kreissparkasse, Köln.
Grundbesitz: 500 qm. Anlagen: Sudhaus mit Feuerkochung, . 30 Ztr. Schüttung (System Ziemam); Lagerung in -52 Aluminiumtanks (1800 h); Eismaschinen mit 80000 Kalorien, Faßreinigungsmaschinen, Pichapparat (Enzinger Union); Massewaschapparat (Enzinger Union). 1 Lastkraftwagen (3 to).
Filialausschänke: Hilgers Gürzenieh-Bräu am Ring; Köln, Hohenzollernring 44; „Zur Zweispann“ Franz Brackhane, Köln, Breitestr. 17; Rheinpark- Gaststätten G. m. b. H., Köln, Messegelände; Hotel zur Post Emil Hoffmann, Opladen.
Das Unternehmnen gehört an: Brauwirtschaftsverband Westdeutschland, Köln; Wirtschaftsgruppe Brauerei und Mälzerei, Berlin - Bezirksgruppe Rheinland.
Gefolgschaft (Arbeiter und Angestellte) 1935, 1936, 1937, 1938: 9, 8, 8, 7. Bierausstoß 1938 (hl): 6000.
 
 
 
Quellen
1 Historisches Verzeichnis alter Biergläser/Krüge aus dem Köln/Bonner Raum, Hrsg.: Wolfgang Wukasch
2 Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 8. Jahrgang, 1910, Verlag von Eisenschmidt & Schulze GmbH, Leipzig
3 Die Deutschen Brauereien, Firmenjahrbuch des Deutschen Brauer-Bundes, Verlag für Rechts- und Wirtschaftsliteratur A.-G., Berlin u. Leipzig, 1934
4 Die Brauereien und Mälzereien im Deutschen Reich 1939-40, 38. Auflage, 1940, Verlag Hoppenstedt & Co., Berlin
5 "Prosit Colonia: Die vergessenen und unvergessenen Brauereien, Bier- und Brauhäuser Kölns", Autor: Franz Mathar, Greven Verlag, 1999
6 Adressbuch für die gesamte Brau-Industrie Europas, Band I: Deutschland, 1898, Verlag von Eisenschmidt & Schulze, Leipzig
7 Grevens Adressbuch für Köln, Jahrgänge 1912, 1913, 1914
8 "Kölner Kneipen im Wandel der Zeit (1846 bis 1921), Lambert Macherey, 1921, Selbstverlag
9 „Köln“ aus der Reihe Deutschlands Städtebau, Verlag DARI (Deutscher Architektur- und Industrie-Verlag) Berlin-Halensee, 1926
10 Westdeutscher Beobachter, Ausgabe Euskirchen, 09.04.1935
11 "Köln auf alten Ansichtskarten", Herausgeber: Kölnisches Stadtmuseum, Michael Euler-Schmidt, Asmuth Verlag Köln, 1995
12 Zeitschrift "Der Neue Tag", Ausgabe 29.03.1936, 01.05.1937, 30.04.1940
13 Kölner Lokal-Anzeiger, Ausgabe 02.06.1914, 11.08.1928
14 "Rheinische Volkwacht", Ausgabe 17.09.1920
15 "Bergisch Gladbacher Volkszeitung, Ausgabe 12.04.1927